Methodik & Tools

Brücken bauen: Von der Strategie zur Organisation

Selten sind die Unsicherheiten in Bezug auf organisatorische Entscheidungen so stark erkennbar wie bei der Eingrenzung alternativer Modelle für eine neue Aufbauorganisation; egal ob für die Gesamtorganisation oder eine Abteilung. Wie kommt man in einer ganz spezifischen Situation mit all ihren typischen Komponenten, welche die Neuorientierung beeinflussen (z. B. Erfolgsfaktoren in der Branche, Vision und Strategie, Kernaktivitäten, personelle, betriebliche und rechtliche Bedingungsgrössen etc.), zu einer passenden Führungsorganisation? Hier helfen in einem ersten Schritt Gestaltungsprinzipien.

 


Was sind Gestaltungsprinzipien?

Gestaltungsprinzipien bündeln alle Ansprüche an die Organisation in Form weniger (idealerweise zwischen 5 und 6), klar fassbarer Grundsätze. Sie entsprechen einer bewussten Willensbekundung im Hinblick auf den anstehenden organisatorischen Gestaltungsprozess. Quelle ihrer Entwicklung ist die relevante Situation der Unternehmung/ der Institution/ des Bereichs/ der Abteilung mit ihren jeweils ganz spezifischen Eigenheiten.

Gestaltungsprinzipien helfen zu erkennen,

  • was die neue Organisation können muss,
  • welchen Ansprüchen sie gerecht zu werden hat und
  • welche Probleme durch sie zu lösen sind.

Gestaltungsprinzipien können unter anderem Aussagen machen:

  • zum generellen Fokus der Organisation (Funktionen, Prozesse, Kunden, Produkte etc.),
  • zur Autonomie als Gesamteinheit im grösseren Kontext,
  • zur gültigen Führungsphilosophie und zur Zusammenarbeit im Team,
  • zur (gemeinsamen) Ressourcennutzung bzw. zu Synergien,
  • zur Spezialisierungs-, Standardisierungs- und Formalisierungsintensität,
  • zu Entscheidungs- und Weisungsmechanismen (z. B. Ausmass der Delegation),
  • zu Koordinationsmechanismen (personell, strukturell, systembezogen),
  • zu Grössenverhältnissen der einzelnen Organisationseinheiten.

 

Was leisten Gestaltungsprinzipien?

Durch die Definition von deutlich unterscheidbaren Gestaltungsprinzipien wird ein grobes „Anforderungsprofil“ entwickelt, das die Entwicklung alternativer Organisationsmodelle leitet. Gut formulierte Prinzipien wirken so als starke Leitplanken für die organisatorische Gestaltung. Sie setzen klare Prioritäten und räumen bestehende Unsicherheiten aus.

Im Hinblick auf den Organisationsprozess werden die möglichen Kombinationen der organisatorischen Aktionsparameter Arbeitsteilung, Koordination und Konfiguration so frühzeitig situativ beeinflusst und eingegrenzt. Dadurch gelingt es, den anschliessenden Bewertungs- und Auswahlprozess zielgerichtet durchzuführen: Es gelangen nur solche Organisationsmodelle zur Evaluation, die grundsätzlich zur Situation passen, d. h. effektiv sind.

Die Einbettung der Gestaltungsprinzipien in den übergeordneten Prozess der Neuausrichtung einer Führungsorganisation findet sich im Tool Führungsorganisation auf diesem Blog. Dieses Tool schlägt ein pragmatisches Vorgehen in 7 Schritten vor. Der zweite Schritt entspricht der Erarbeitung von Gestaltungsprinzipien.

 

Was bei der Anwendung zu beachten ist

Gestaltungsprinzipien sollten nach meiner Erfahrung möglichst präzise und handlungsorientiert abgefasst werden. Daher empfehle ich bei der Entwicklung von Gestaltungshinweisen Folgendes:

  • Formulieren Sie für jedes Prinzip wenn immer möglich Anwendungshinweise. Was heisst z. B. das Gestaltungsprinzip „Kundenorientierung“ im Detail?
  • Formulieren Sie zudem aus den gewonnenen Erkenntnissen für die einzelnen organisatorischen Aktionsparameter konkrete Anforderungen. So kann der Wunsch nach starker „Kundenorientierung“ und die entsprechend formulierten Anwendungshinweise z. B. zur Vorgabe einer Arbeitsteilung nach den erbrachten Leistungen führen, weil dadurch eine klare Marktpositionierung mit einzigartigem Angebot unterstützt wird.
  • Fassen Sie die Gestaltungsprinzipien nach ihrer Erarbeitung in einem prägnanten Kernsatz zusammen. Dieser kann im weiteren Prozess als Vision für die organisatorische Gestaltung genutzt werden und die Brücke von der Strategie zur Organisation verdeutlichen.
  • Die Erarbeitung der Gestaltungsprinzipien kann mit Hilfsmitteln gesteuert und erleichtert werden, bleibt aber immer ein in hohem Masse unternehmungsspezifischer, heuristischer Prozess mit Ungenauigkeiten und Rückkopplungen. Achten Sie daher stets auf eine klare und transparente Dokumentierung.

Eine praktische Illustration zur Anwendung von Gestaltungsprinzipien finden Sie im früheren Blog-Beitrag „Es reorganisiert in der Schweizer Energiewirtschaft: Was sind die Ansprüche an die Organisation?“. Wer sich für den konkreten Einsatz im Rahmen eines Projektes interessiert, findet hier ein umfassendes Anschauungsbeispiel aus dem öffentlichen Sektor (S. 26 – 30 der Präsentation).

 

Und noch ein wichtiger Hinweise zum Erarbeitungsprozess

Die Erarbeitung von Gestaltungsprinzipien ist unbedingt Sache der Führungsverantwortlichen der betroffenen Einheit. Sie kann nicht delegiert werden: Die Führung ist für die Effektivität der Organisation verantwortlich. Diese Verantwortung schliesst insbesondere auch die Ausgestaltung der Grundzüge der Organisation mit ein. Und damit den Bau der Brücke von der Strategie zur Organisation.

Dies heisst für Sie: Bestehen Sie bei der Entwicklung der Gestaltungsprinzipien unbedingt darauf, dass die Personen einbezogen werden, die für die organisationspolitischen Entscheidungen in der betroffenen Einheit verantwortlich sind. Sie zwingen damit die Verantwortlichen, sich verbindlich auf die gewünschte Zielrichtung der Reorganisation einzuschwören. Ein weiterer Vorteil davon ist, dass allfällige andere Interpretationen und divergierende Meinungen frühzeitig in den sich ergebenden Diskussionen aufgegriffen und bereinigt werden können. Daher braucht der Entwicklungsprozess auch ein bisschen Zeit.

 

Weiterführendes

In der Toolsammlung habe ich die wesentlichen Elemente zu diesem Instrument als Download hinterlegt.

Mehr zum Thema in methodischer Hinsicht im sehr empfehlenswerten und praktischen Buch von Amy Kates und Jay R. Galbraith „Designing your Organization“. Bei der Abfassung dieses Blogs habe ich mich auf das Buch „Die optimale Organisationsform“ von Norbert Thom und mir gestützt.

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