Dezentralisierung

Organisationsbezogene Erfolgsfaktoren (und andere) bei Weltmarktführern

Von Erfolgreichen zu lernen, ist intuitiv immer attraktiv. Gibt es Herausstechendes, was wir im Hinblick auf die Organisation von Weltmarktführern exemplarisch lernen können? An einem Kongress bin ich kürzlich auf die Erfolgsfaktoren „Kompetente Nähe zum Kunden“, „Eindeutige Verantwortlichkeitsbereiche“ und „Kooperationen mit Gleichgesinnten“ gestossen. Und dann waren da noch die drei L-Erfolgsfaktoren.


Weltmarktführer und Organisation

Gipfeltreffen der Weltmarktführer? Der Titel dieses Kongresses ist zuerst etwas gewöhnungsbedürftig. Doch zugegebenermassen: Was ich vor gut einer Woche in Schwäbisch-Hall sehen und erleben durfte, waren tatsächlich Weltmarktführer. Nicht jene Grosskonzerne über die wir üblicherweise in der Presse lesen. Sondern Mittelständler (über die Definition lässt sich natürlich streiten, was denn genau ein Mittelständler ist), die es in einer Nische oder in mehreren Nischen zu Weltmarktführerschaft gebracht haben.

Untertitel der Veranstaltung war „Weltmarktführer werden und bleiben“. Im Vorfeld hatte ich die Hoffnung, im Hinblick auf den Beitrag der Organisation zum Erfolg von Weltmarktführern generalisierbare Aussagen identifizieren zu können. Diese Erwartung wurde enttäuscht (sie war wohl auch etwas naiv, aber das sei für einmal erlaubt). Trotzdem gab es sehr interessante und konkrete Beispiele, was die Organisation zum Erfolg dieser Unternehmen beiträgt. Drei organisationsbezogene Erfolgsfaktoren will ich im Folgenden kurz vorstellen.

 

Erstens: Die kompetente Nähe zum Kunden

Sowohl die Firma Stihl AG (motorbetriebene Geräte für die Forstwirtschaft, Landschaftspflege und die Bauwirtschaft) als auch die R. Stahl AG (Produkte, Systeme und Dienstleistungen für den Explosionsschutz) setzen im Vertrieb eine Organisation um, welche die kompetente Nähe zum Kunden maximiert:

  • Stihl setzt im Vertrieb auf servicegebundenen, qualifizierten Fachhandel vor Ort, der immer eine Werkstatt haben muss. Damit wird einerseits eine kompetente Beratung und eine hohe Reaktivität bei Problemen der Kunden gewährleistet (ein echter Problemlösungsbeitrag ist rasch möglich). Andererseits können damit wesentliche Themen für die weitere Produktentwicklung direkt und kompetent erfasst werden. Die organisatorische Herausforderung für Stihl liegt dabei u. a. darin, die Qualität bei den Partnern vor Ort in allen relevanten Aspekten hoch zu halten.
  • Stahl macht in seinem Geschäft Ähnliches, in dem über die Wertschöpfungsstufen bis hin zum Kunden eine kompetente, qualitätsorientierte Organisation entwickelt wurde. Nach den produzierenden Fabriken stehen regional Technologiestützpunkte/ -hubs, welche die (System-) Kompetenz von Stahl in einem breiten Spektrum abdecken. Noch näher beim Kunden sind die Ingenieurbüros vor Ort, die für die Kunden als Anlaufpunkte dienen. Hier sind gemischte Teams zuhause, die mit den Kunden in einem breiten Sinne über Technologie (und nicht nur Produkte) sprechen können. Damit gewährleistet das Unternehmen einen gleichen Qualitätsstandard weltweit, was als zentralen Erfolgsfaktor angesehen wird.

 

Zweitens: Eindeutige Verantwortlichkeitsbereiche durch Dezentralisierung und Divisionalisierung

Von der Firma Phoenix Contact GmbH & Co. KG (elektrische Verbindungs- und elektronische Interfacetechnik sowie industrielle Automatisierungstechnik) wurde im Rahmen ihrer Entwicklungsgeschichte die Wesentlichkeit der Dezentralisierung und Divisionalisierung (eigenverantwortliche Unit) als Erfolgsfaktor hervorgehoben: Die Schaffung von klar abgegrenzten Verantwortlichkeitsbereichen, die für ihre Produkte und Leistungen eigenverantwortlich zuständig sind.

In anderem Kontext hat Herbert Schein, Vorsitzender der Geschäftsführung der Varta Microbattery GmbH (Batterien, insbesondere Micro-Batterien) dieselben Elemente als Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Diversifizierung genannt. Er meinte zusätzlich, dass die Verantwortlichen ohne Rückfahrschein auf den Weg gesandt werden sollten, damit bei Schwierigkeiten nicht einfach aufgegeben werde.

 

Drittens: Kooperationen mit Gleichgesinnten

Von Kooperationen auf verschiedenen Dimensionen als Erfolgsfaktor mit grosser organisatorischer Komponente berichtete Arndt G. Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff Gruppe (Fahrzeugkomponenten- und Werkzeugherstellers). Seine diesbezüglichen Erläuterungen haben mich beeindruckt.

Die Kirchhoff-Gruppe arbeitet seit längerem in einem Netzwerk von Autozulieferern zusammen, aus dem 1994 der Verbund Innovativer Automobilzulieferer in der Region Südwestfalen entstand, kurz VIA. Ziel der Gründer der Unternehmensgruppe war es, bei Aufgaben zu kooperieren, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft zählen, ohne dabei weitergehende Bindungen einzugehen (zum Thema Kooperationen vgl. auch den Blogbeitrag „Unternehmenskooperationen im Hoch, Joint Ventures als Kooperationsform im Tief?“).

Zwei Jahre später wurde aus diesem Verbund die VIA Oberflächentechnik GmbH gegründet, in der industrielle Teilereinigung für absolute Produktreinheit betrieben wird und in die von den Gründern entsprechende eigene Aktivitäten eingebracht wurden. Die Unternehmung arbeitet für die Verbundmitglieder, aber insbesondere frei am Markt. Sie muss sich auch dort behaupten, was sie erfolgreich tut.

Absolut bemerkenswert scheint mir ein zweites Gemeinschaftsunternehmen, dass etwas später aus dem genannten Netzwerk entstanden ist: Die VIA Consult GmbH & Co. KG, eine Beratungsgesellschaft vom Mittelstand für den Mittelstand. Sie berät ihre Kunden zu den Themen Standortentwicklung, Kooperationsberatung, Managementsysteme, Prozessoptimierung und Qualifizierung. Ursprungsidee war, mit dieser Gesellschaft bei den Verbundpartnern in wesentlichen Managementaspekten Qualität einzubringen, wie es für diese individuell nicht machbar wäre. Auch diese Unternehmung kann sich aber nicht auf ihre Eigner stützen, sondern muss am freien Markt bestehen.

Noch ein weiteres Kooperationsthema wurde im Sinne der Kompetenz- und Ressourcenbündelung von Herrn Kirchhoff genannt, das aktuell als Projekt studiert wird: Die gemeinsame und gleichzeitige Erschliessung eines Auslandsmarktes durch Mittelständer aus der gleichen Region. Auf die weitere Entwicklung in diesem Bereich bin ich besonders gespannt.

 

Und trotzdem: Drei generalisierbare Erfolgsfaktoren

Neben den beispielhaft illustrierten Erfolgsfaktoren mit organisatorischem Bezug sind mir doch drei Themen aufgefallen, die im Hinblick auf den Erfolg generalisierbar scheinen. Sie haben aber wenig mit Organisation zu tun, sondern eher mit spezifischen Grundsätzen der Unternehmensführung. Aus meiner Sicht sind sie zentral.

Es sind die drei L-Erfolgsfaktoren, die von praktisch allen Referenzen aus dem unternehmerischen Umfeld als wesentlich erwähnt wurden:

  1. Langfristigkeit: Bei allen Firmen war der langfristige Horizont als relevanter Planungshorizont für unternehmerisches Handeln und Investitionen ein wesentliches Thema. Keiner der Vortragenden, der nicht darauf hingewiesen hätte. Dass die grosse Mehrheit der vertretenen Firmen von Familien, die in Generationen denken, geführt oder zumindest kontrolliert wird, wurde oft als sehr hilfreich erwähnt, um einen kontinuierlichen Kurs fahren zu können (insbesondere auch in schwierigen Zeiten). Dass Langfristigkeit alles andere als Inflexibilität heisst, wurde dabei immer deutlich.
  2. Liquidität: Um die Langfristigkeit durchziehen zu können, ist nebst den Familien auch fast penetrant die finanzielle Unabhängigkeit von externen Finanzgebern erwähnt worden. Die Krisenerfahrung lässt grüssen. Liquidität und tiefe Schulden sind nach Konsensmeinung zentral für den Erfolg. Prägnant auf den Punkt gebracht: „Liquidität vor Wachstum“ (Klaus Eisert, Phoenix Contact GmbH & Co. KG) und „Wir lassen uns ungern von den Banken sagen, was wir tun sollen“ (Bertram Kandziora, Stihl AG).
  3. Leidenschaft: Nicht gesagt, aber augenfällig und spürbar war die Leidenschaft, mit dem die Unternehmensleiter von ihren Produkten und Leistungen und von ihren Mitarbeitenden sprachen. Die grossen Emotionen für die eigene Aufgabe, die greifbare Echtheit und Authentizität sowie die Freude über das Team und den unternehmerischen Rahmen, in dem man sich einbringen darf und kann, waren unübersehbar und haben mich sehr beeindruckt.

Wer jetzt Lust hat, noch mehr über das Thema zu lesen, dem empfehle ich den Artikel „Klein, klever, König“ der Wirtschaftswoche sowie die weiteren dort angegebenen Artikel zum Thema.

 

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